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Porträt von Slow Food Deutschland: Gose in traditioneller Herstellung

Die Arche des Geschmacks ist ein internationales Projekt der Slow Food Stiftung für Biodiversität. Sie fördert regional bedeutsame Lebensmittel, Nutztierrassen, Kulturpflanzen und handwerkliche Verarbeitung und trägt damit zum Erhalt unserer biologischen und kulturellen Vielfalt bei. In diesem Rahmen hat die Slow Food Stiftung Deutschland die Gose porträtiert.

Die Gose in traditioneller Herstellung: Sauerbier mit Salz und Koriander

  • Arche Passagier seit 2023
  • unterstützt von Slow Food Südwest-Sachsen und Halle-Leipzig

Beschreibung des Passagiers

Die Gose stellt einen eigenen, sehr alten Biertyp dar. Sie weist sowohl gewisse Ähnlich- keiten zur Berliner Weiße bzw. zum Lichtenhainer Bier auf und gehört mit diesen und weiteren belgischen Bierstilen wie Lambics, Faro, Kriek und Geuze zur Gruppe der euro- päischen Sauerbiere. Eine Gose wird als besonderes Bier auch heute noch mit Koriander und Salz hergestellt, weshalb sie nicht dem deutschen Reinheitsgebot entspricht. Diese besonderen Zutaten und die zusätzliche Milchsäuregärung verleihen ihr die ganz spezielle Eigenart.

Die Gose ist ein obergäriges, säuerliches und leicht salzig schmeckendes Spezialbier. Ihr Name leitet sich von ihrem Ursprungsort, der alten Kaiserstadt Goslar im Harz ab, durch die das Flüsschen Gose fließt. Die legendäre Ersterwähnung erfolgte durch Kaiser Otto III. (Regierungszeit 996-1002), die älteste erhaltene Urkunde stammt von 1239 (Privileg des Goseverkaufs für die Stadt Osterode). Die Gose ist damit wohl der älteste erhaltene deutsche Bierstil.

Im Mittelalter verbreitete sich das „Goslarisch Bier“, kurz die „Gose“ genannt, aufgrund seiner Beliebtheit im ganzen Harzgebiet, dann weiter über ganz Nord- und Ostdeutsch- land bis nach Hamburg, Anhalt und Sachsen, um später in der Gegend um Dessau und Halle erneut sesshaft zu werden. Seit 1738 hat sie – dank der legendären Empfehlung des „Alten Dessauers“ (Leopold I., Fürst von Anhalt-Dessau, 1676 – 1747), der dieses Bier unterwegs kennengelernt hatte – vor allem in Leipzig ihre neue Heimat gefunden. Wäh- renddessen beschloss der Stadtrat von Goslar 1826 die Gose-Herstellung einzustellen, da das neue untergärige Bier aus Pilsen das alte obergärige Bier verdrängte und der Ver- kauf zurückging. 1935 gab es den Versuch der Wiederbelebung, der allerdings erfolglos blieb. Erst 1993 versuchte es ein pensionierter Braumeister erneut damit und konnte das Projekt dann auch in jüngere Hände übergeben.

Noch heute existiert in Goslar eine kleine Gosebrauerei, deren Bier allerdings heute nicht mehr sauer ist. In Leipzig war die Gose um 1900 das meist getrunkene Bier; dort gab es allein um die achtzig Ausschankstellen, so dass man bald von der „Gosenstadt“ sprach. Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts versuchten sich in Mitteldeutsch- land einige Brauereien mit der Herstellung von Gose – mit mehr oder weniger Erfolg. Durch die Enteignung und Schließung der alten Gosebrauereien nach dem Krieg – vor al- lem der bedeutendsten Braustätte in Döllnitz, kam aber auch hier das Aus. Von 1949 bis 1966 braute einzig die kleine Leipziger Brauerei Wurzler noch Gose nach der alten Döll- nitzer Rezeptur, bevor das Ende kam. Erst 1986 setzte dank der Bemühungen um die Wiedereröffnung der alten Gosenschenke „Ohne Bedenken“ wieder Interesse an dem ausgestorbenen Bierstil ein. Von 1990 bis 1995 wurde erstmals wieder Gose in Dahlen ge- braut und in Leipzig ausgeschenkt. 1999 erfolgte die bis heute erfolgreiche Wiederbele- bung der alten Döllnitzer Tradition der „Ritterguts Gose“.

Gefährdung des Passagiers

Die Gose war in der Vergangenheit bereits mehrfach vom Aussterben bedroht. Der breite Rückzug setzte mit dem Erfolg untergäriger Lagerbiere nach der Entdeckung von Rein- zuchthefen durch Emil Christian Hansen 1883 ein. So gab bereits Max Delbrück (1910) „Leipzig, Halle und Umgegend“ als letztes Verbreitungsgebiet an. An ihrem Ursprungsort Goslar gab es, wohl auch bedingt durch den Niedergang des Harzer Bergbaus, von 1826 bis 1993 keine Gose; in Leipzig war sie von 1966 bis 1990 verschwunden; in Dessau ist sie bis heute ausgestorben. Dieses besondere Bier wird heute nur von sehr wenigen Braue- reien hergestellt und unterliegt daher einer latenten Gefährdung. Von größeren Braue- reien wird sie auch mit Verweis auf das Reinheitsgebot ignoriert und von aufstrebenden deutschen Craftbeer-Brauereien wegen möglicher Infektion der anderen Bierarten mit Milchsäurebakterien zurückhaltend betrachtet. Im Zuge der Craftbeer-Bewegung wird Gose nicht nur ins Ausland exportiert, sondern insbesondere in den USA von Brauereien dort auch in zahlreichen Varianten hergestellt, die die traditionellen Herstellungsmetho- den mehr oder weniger erfolgreich nachahmen.

Vermarktung des Passagiers

Zurzeit ist die Gose in Mitteldeutschland und vor allem in Leipzig und in Halle zum Teil in gut sortierten Getränkehandelsunternehmen verfügbar, da neben der Ritterguts Gose inzwischen auch einige Gasthausbrauereien das Thema aufgegriffen haben. Größere Ge- tränkevertriebsnetzwerke und Supermärkte lehnen Sauerbiere meist mit dem Hinweis auf die Gewohnheiten der Konsument*innen ab. Darüber hinaus bieten inzwischen Mit- glieder der Craftbeer-Bewegung verschiedene Gosen als temporäre Spezialitätenbiere an und vermarkten sie selbst.

Regionale Bedeutung des Passagiers

Die Gose stammt ursprünglich aus Goslar, wo sie bereits im 10. Jahrhundert erwähnt wurde. Sie ist damit einer der ältesten deutschen Bierstile überhaupt. Seit 1738 hatte die Gose in Leipzig ihre neue Heimat gefunden, wo sie um 1900 das meistgetrunkene Bier war („Gosenstadt“). Gebraut wurde Gose auch damals vor allem im weiteren Umland der Stadt. Hopfen, Malz, Koriander, Salz und Milchsäure bestimmen das kulinarische Profil der Gose. Die daraus entstehenden leichten, säuerlichen und spritzigen Biere dominier- ten wohl bereits während der napoleonischen Kriege die Getränkekultur Mitteldeutsch- lands. Napoleons Zitat zum „Champagner des Nordens“ erscheint auch aus heutiger Sicht gut begründet. Nachdem bereits im Mittelalter der von den Römern übernommene Weinbau im Norden und Osten Deutschlands an klimatischen Bedingungen und dem auch dadurch bedingten Druck von Schädlingen zerbrach, spielte Bier immer eine große Rolle als bakteriologisch sicheres Getränk im Alltag und zu Feierlichkeiten in weiten Tei- len Deutschlands. Waren doch Getreidekulturen unter den herrschenden Anbaubedin- gungen leichter zu realisieren.

Bedingt durch mangelnde oder fehlende Hygiene dürften vor Einführung der Pasteuri- sierung von Getränken fast alle Biere in Deutschland Sauerbiercharakter besessen ha- ben. Der Einsatz von Koriander im Bier ist nicht auf Gose beschränkt. Internationale Bierstile (z.B. Witbier) arbeiten ebenfalls noch mit Gewürzen. Eine Tradition, die sich auf Zeiten vor der Einführung des Reinheitsgebotes zurückführen lässt. Das Salz in der Gose dürfte im Salzbergbau Mitteldeutschlands begründet sein. So wies das Brauwasser des Goseflusses in Goslar wohl schon im Mittelalter eine höhere Salzkonzentration auf. Die- se Tradition wurde bei der Übernahme der Goslarer Brautradition dann auf andere Regi- onen übernommen.

Die Gose konnte seit Beginn der 1990er Jahre sowohl in Leipzig als auch in Goslar (aller- dings nicht als Sauerbier) erfolgreich wiederbelebt werden. Kulinarisch erwacht Bier in den letzten zehn Jahren aus seinem bis dahin von Großkonzernen gestärkten Nischen- dasein als aromatisch bitteres, alkoholisches Erfrischungsgetränk und entdeckt seine geschmackliche Vielfalt neu. Eine Rückbesinnung auf bereits fast vergessene Rezepturen machen Biervielfalt neu erlebbar.

Geschmack des Passagiers

Die Gose ist ein obergäriges, säuerliches und leicht salzig schmeckendes Bier. Gose wird aus Gersten- und Weizenmalz in alter obergäriger Brauart hergestellt; typisch ist der Zu- satz von Koriander und Salz. Diese besonderen Zutaten und die zusätzliche Milchsäure- gärung verleihen ihr die ganz spezielle Eigenart. Sie wird als Kombination von Zitrone und Salz beschrieben, die sich vor allem für leichten sommerlichen Biergenuss eignet. Als Getränk der leichten Küche eignet sich Gose u.a. als guter Begleiter für Gemüse und Fischgerichte.

Besonderheiten bei der Erzeugung und Weiterverarbeitung des Passagiers

Die Zutaten Brauwasser, Gersten- und Weizenmalz, Koriander, Kochsalz, Hopfen, obergä- rige Hefe und Milchsäurekulturen liefern die Grundlage der Gosebiere traditioneller Her- stellung. Das geschrotete Malz wird mit Wasser gemischt („eingemaischt“). Die im Malz- schrot enthaltene Stärke löst sich auf und Zucker, Eiweiß und Gerbstoffe werden freige- setzt. Durch „läutern“ wird die „Würze“ von den Feststoffen („Treber“) getrennt und an- schließend unter Zugabe von Hopfen gekocht. Bei der traditionellen Herstellung wie sie bei den bekannten belgischen Sauerbieren Lambic, Kriek oder Faro heute noch prakti- ziert wird, wird die Würze dann in einen flachen Bottich („Kühlschiff“) „ausgeschlagen“. Dabei kühlt sie schnell ab und die in der Luft des Raumes vorhandenen Milchsäuerebak- terien sorgen für die Milchsäueregärung. Beim „modernen“ Verfahren erfolgt die Milch- säuregärung in einem geschlossenen Fermenter, d.h. in einem Tank mit Heizung/Küh- lung und der Möglichkeit zur Begasung mit CO2 (die Milchsäuere mag keinen Sauerstoff). Es wird ein „Sauerstück“ aus Würze mit Milchsäurebakterien angesetzt und bis zu einem bestimmten Grad säuern lassen. Dieses Sauerstück wird dann der „normalen“ Maische zugesetzt und mit dieser (unter Zusatz von Salz und Koriander) gekocht. Dadurch werden die Milchsäurebakterien abgetötet und anschließend wird die Hefe zugesetzt und das Ganze im Gärtank vergären lassen.

Eine besondere Herausforderung für die Herstellenden ist dabei der Wechsel zwischen unterschiedlichen Bierstilen. Ein unsauberer Umgang (insbesondere bei offenen Kühl- schiffen) kann zum Eintrag der Milchsäurekulturen auf andere Bierstile führen. Daher stehen viele Brauereien dem Einsatz weiterer Fermentationsorganismen neben Hefe eher skeptisch gegenüber.

Mehr Informationen unter slowfood.de/gose.

/// Die Arche des Geschmacks ist ein internationales Projekt der Slow Food Stiftung für Biodiversität. Sie fördert regional bedeutsame Lebensmittel, Nutztierrassen, Kulturpflanzen und handwerkliche Verarbeitung und trägt damit zum Erhalt unserer biologischen und kulturellen Vielfalt bei. Als weltweite Bewegung setzt sich Slow Food für ein Ernährungssystem ein, das Genuss und Verantwortung verbindet.